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El Bocho – Urban Artist

El Bocho – Urban Artist

Wer Street Art liebt, wird El Bocho kennen: Seine Werke finden sich auf den Straßen verschiedenster Länder und Städte, vornehmlich aber in seiner Wahlheimat Berlin. Doch er beschränkt sich nicht nur auf Street Art – auch in Galerien, Zeitschriften und Büchern ist seine Kunst zu sehen. Wir durften El Bocho in seinem Berliner Atelier besuchen und sprachen mit ihm über Kunst, die Street-Art-Szene, die Herausforderungen des Künstlerdaseins und darüber, was sein Charakter Little Lucy eigentlich gegen Katzen hat.

 

Ein Künstler mit vielen Gesichtern – aber keinem eigenen?

Während sich seine Frauen-Portraits im Pop-Art-Stil schnell ins Gehirn brennen und nicht vergessen werden, findet man weit und breit kein einziges Foto vom Künstler selbst. Weder sein Gesicht, noch sein echter Name sind bekannt und so wundert es nicht, dass sich die eine oder andere Erzählung um den Künstler rankt. Online liest man oft, dass El Bocho „kleiner Esel“ bedeute. Als wir ihn darauf ansprechen, lacht er und schüttelt den Kopf: „Das könnt ihr gleich streichen. Das hat ein Journalist vor zehn Jahren geschrieben und jetzt schreiben es alle von seinem Artikel ab, aber ursprünglich ist es eigentlich ein Spitzname, den ich während meiner Zeit in Spanien bekommen habe. Da gibt es verschiedene Bedeutungen für, aber das ist reiner Zufall. In Mexiko gibt es den Begriff „Bochos“, das sind quasi Packesel. Dort nennt man deshalb auch die aufgemotzten VW-Käfer „Bochos“ – die laufen und laufen nämlich und sind quasi nicht zerstörbar. Das ist nett, mit mir hat das aber nichts zu tun.“ Da Street Art sich oft in einer rechtlichen Grauzone bis hin zur illegalen Aktivität bewegt, ist es leichter, ein Künstler „ohne Gesicht“ zu sein. Und deshalb bohren wir nicht weiter nach, sondern gehen direkt zu dem über, was unsere Herzen höherschlagen lässt: El Bochos Kunst!

Zu Besuch bei El Bocho | by andy - for better moods

El Bocho im Interview

Let’s talk Art: Little Lucy, Life of Pete, Kalle und Bernd

El Bochos Charaktere bleiben hängen, denn sie überraschen, schockieren, entzücken und verführen. Da wäre zum Beispiel das Küken Pete (Life of Pete), dem unentwegt Eier aus dem Nest auf die Straße fallen – kein Wunder also, dass Pete ein wenig depressiv dreinschaut. Die Menschen auf der Straße jedoch müssen unweigerlich lachen, denn El Bocho ergänzt das Street-Art-Plakat Petes durch ein rohes Ei, welches er vor dem Küken auf dem Boden zerspringen lässt.

Life of Pete!
Quelle: El Bocho

Der Charakter Little Lucy ist El Bochos bekanntestes Maskottchen: Das kleine Mädchen mit den großen Augen malträtiert auf verschiedenste Weisen seine Katze. Da stellt sich natürlich die Frage: Was haben Lucy und El Bocho gegen die schnurrbarthaarigen Samtpfoten? El Bocho lacht und klärt auf: „Bei Little Lucy geht es ein bisschen ums Böse, das wir alle in uns tragen, das Gemeine, was manchmal rausgelassen wird. Und ich dachte mir, so einem kleinen Mädchen kann man ja nicht so viel übelnehmen und eine Katze hat ja eh neun Leben, also ist das nicht ganz so tragisch… Ja, das ist der Hintergrund: Das Gemeine von uns, was zum Vorschein kommt.“ Und wie reagiert die Fangemeinde der Felidae? Gibt es einen Aufstand der Katzenfans? Wir bekommen Entwarnung: „Es gibt viele Katzenliebhaber, die Little Lucy tatsächlich auch mögen, weil sie selbst so oft von ihrer eigenen Katze geärgert werden, dass sie diese auch erwürgen könnten. Das leben sie dann ein bisschen durch meine Kunst aus. Es sind ja auch spezielle Menschen, die Katzenbesitzer. Das lasse ich jetzt einfach so stehen.“

"Little Lucy" by El Bocho | by andy - for better moods

„Little Lucy“ ist kein Fan von Katzen…

Neben diesen beiden Charakteren gibt es aber auch noch weitere, wie die beiden Überwachungskameras Kalle und Bernd oder auch Tina Berlina, die für Einheimische und Touristen in der Hauptstadt den einen oder anderen Tipp auf Lager hat.

Kalle und Bernd (Quelle: El Bocho)

Schockverliebt: Eine romantische Portraitreihe verdreht uns den Kopf

Fernab des schwarzen Humors bewegen sich jedoch die Portraits, die „Citizens“ El Bochos: Mit ihnen verbildlicht der Künstler diese besonderen, kurzen Begegnungen des Alltags, die man mit echten Menschen hat. Es sind diese Sekundenbruchteile, die wahnsinnig schnell verfliegen, aber manchmal für Jahre Eindruck hinterlassen. Genau diesen Effekt möchte El Bocho mit seinen Plakaten erreichen: „Es gibt Momente, in denen man vielleicht an einer bestimmten Stelle in seiner Stadt vorbeiläuft und dann poppt das wieder im Kopf auf und man denkt: ‚Hier habe ich damals diese faszinierende Person gesehen, die an mir vorbeigelaufen ist.’ Und genau so ist das mit den Plakaten. Sie sind kurzlebig, vielleicht nach ein paar Wochen schon wieder weg – aber die Leute haben sie immer vor Augen, wenn sie an dieser Ecke vorbeigehen.

Art by El Bocho | by andy - for better moods

Einige Kunstwerke warten nur darauf, an Wände plakatiert zu werden!

Dazu gibt es auch ein super schönes Gedicht von Kurt Tucholsky, was ich immer gerne anführe, es heißt Augen der Großstadt. Darin beschreibt er, wie man auf dem Weg zu Arbeit Menschen begegnet, die einen quasi umhauen und dann aber schon wieder verschwunden sind und nicht mehr auftauchen.“ Hinter den Portraits steckt also ein sehr romantischer Grundgedanke – es geht, so erklärt uns El Bocho weiter, um die zarte Romantik der jungen Jahre, die Art, welche man als Teenager erlebt. Mit seinen Gesichtern weckt El Bocho die Erinnerung an die leichte und bedingungslose Form der Romantik, die sich noch weitab von den Beziehungsproblemen des Erwachsenenalters befindet, aber mit den Jahren mehr und mehr verfliegt. Diese Erinnerung kommt an: Der Künstler bekommt viel positives Feedback für die romantischen Kurzbegegnungen mit seinen Portraits. Doch gibt es auch Männer in der Portraitreihe? Ja, sagt El Bocho, aber wenige. Das Romantische werde einfach besser durch Frauen übertragen.

Homegirl Art by El Bocho | by andy - for better moods

„Homegirl“ ist einer der drei wunderbaren Prints, die wir in El Bochos Shop erstanden haben!

Tatsächlich sind auch wir durch die romantischen Portraits auf El Bocho aufmerksam geworden: Eines seiner Kunstdrucke verdrehte Andrea den Kopf so sehr, dass sie am nächsten Tag zurück zu dem Laden musste, in dem sie es zuvor entdeckt hatte, um den Namen des Künstlers zu erfahren – diese Begegnung wurde zur wahren Verführung und glücklichen Fügung.

Platz für Kunst: Über Poster, Leim und Kommunikation

Bei El Bochos Street-Art-Werken fällt auf, dass es sich hauptsächlich um geklebte Poster handelt – und das hat seinen Grund: „Den Postern bin ich das erste Mal in Berlin begegnet und habe gleich gedacht, dass das mehr Möglichkeiten hat als das Graffiti. Man hat nicht nur mehr Materialien, sondern auch eine ganz andere Art der Kommunikation. Mit Graffitis kommuniziert man vornehmlich in seiner Szene, bei der Street Art jedoch kommuniziert man mit allen Menschen – und kann dabei auch Kritik zurückbekommen, weil man dadurch eben auch eine öffentliche Person ist und heute natürlich über Social Media kontaktiert werden kann.“

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Art everywhere!

Aber auch die Orte für die Plakate müssen sorgsam ausgewählt werden, denn tagsüber wirken potentiell gute Stellen doch ganz anders als bei Nacht. Jedoch wird es gerade in Berlin zunehmend schwieriger, den Plakaten ein temporäres Zuhause zu geben: Durch die vielen Sanierungen werden die Möglichkeiten des Klebens immer weniger. Da man für diese Aktionen neben den großen Postern auch noch Leim, Pinsel und Leitern dabei haben muss, ist eine gute Organisation die Grundlage für die nächtlichen Kunst-Streifzüge.

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Arbeitsmaterial

Über El Bochos Inspiration, das Ausstellen in der Galerie und die Street-Art-Szene

Bei der Frage nach seiner Inspiration muss El Bocho nicht lange überlegen: Die zwischenmenschliche Kommunikation ist für ihn das Wesentliche. „Daraus ziehe ich dann einfach kleine Geschichten oder Möglichkeiten, Geschichten zu entwickeln. Also ist es schon diese urbane Zwischenmenschlichkeit, würde ich sagen.“

"Die vier Schwestern" Art by El Bocho | by andy - for better moods

Diese Inspiration springt über und findet bereits seit Jahren auch abseits der Straße großes Gefallen: El Bocho ist einer der Street Artists, die sich nicht auf Street Art beschränken, sondern sich selbst als Künstler und damit die vielen Möglichkeiten kreativen Schaffens wahrnehmen. „Das ist Street Art für mich: Nachts rausgehen um die Stadt zu verändern, sie positiv zu prägen. Oft herrscht bei Street Artists der Glaube, dass man Street Art in eine bestimmte Richtung machen, dass sie eine politische, sozialkritische Message haben muss. Und damit sind die Leute dann eingeschränkt und überhaupt nicht frei für das, was Kunst eigentlich bieten kann – nämlich ein riesengroßes Spektrum.“

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Dass El Bocho sich nicht an diese Denkweise hält, sondern auch bereit ist, in Galerien rund um den Globus auszustellen und seine Prints online sowohl jungen Kunstfans als auch den alteingesessenen El-Bocho-Liebenden zugänglich zu machen, stößt nicht überall auf Toleranz. Der Künstler findet das schade: „Man könnte ja auch sagen, man arbeitet zusammen und zieht sich gegenseitig mit – dann haben alle was davon. Das ist so wie bei Banksy: Man könnte ihm den Erfolg voll neiden, aber ich finde das gut, dass er so erfolgreich ist – auch, wenn ich jetzt vielleicht nicht jede Arbeit von ihm gut finde. Aber es bringt der ganzen Szene was, dass es einen Superstar gibt, weil damit die Aufmerksamkeit auf das ganze Thema dieser Kunst gelenkt wird. Das ist nichts Anderes als damals mit Michael Jackson und der Popmusik oder Mohamed Ali und dem Boxen. Es wird immer Leute geben, die besonders hervorgehoben werden – aber das tut trotzdem allen anderen gut und das muss man dann einfach positiv sehen. Aber dafür braucht es einen gewissen Weitblick.“

"21:43" Art by El Bocho | by andy - for better moods

Wir wollen wissen, was sich in den letzten Jahren noch in der Street-Art-Szene verändert hat, neben den schwieriger zu findenden Stellen. Hier fällt zum ersten Mal der Begriff „Social Media“ und wie so oft wird er direkt mit Vor- und Nachteilen erwähnt. Während die Social Media es Künstler*innen wie El Bocho leichter machen, mit dem Publikum oder anderen Künstler*innen zu kommunizieren, machen sie die Menschen gleichzeitig träge. „Damals musste man noch in die Hinterhöfe der Stadt gehen, die dunkelsten Ecken erforschen, um Street Art zu finden. Da spielte sich Street Art generell in Hinterhöfen ab, man ging da noch nicht an die populärsten Stellen um möglichst viel Publikum zu finden. Man musste sich wie ein Forscher umgucken, damit man die neusten Sachen gesehen hat, man musste sich die Stadt selbst erobern und war eigentlich jeden Tag unterwegs um zu schauen, was Neues geklebt, gesprüht oder gemalt worden war. Heute brauchst du nur ins Netz zu schauen und findest da alles.“

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Arbeitsmaterial

El Bocho über Kunstkäufe, Platzprobleme und seine Nachricht an Newcomer*innen

Auch der Künstler selbst sammelt gerne Kunst, wie er uns erzählt. Am liebsten ersteht er Werke von Kolleginnen und Kollegen, darunter ist viel abstrakte Kunst – weil er selbst „das gar nicht kann und das auch gar nicht so einfach ist, wie man immer denkt“. Wichtig ist ihm aber, dass er die Leute persönlich mag, von denen er kauft. „Wenn jemand gute Kunst macht, aber einen fragwürdigen Charakter hat, dann ist das für mich schwierig. Ich könnte mir die Sachen nicht hinhängen.“

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El Bocho im Interview

Und wer gehört zu seinen Lieblingen? Der Berliner Künstler KERA unter anderem, aber auch die Künstlergruppe Quintessenz hat es ihm angetan. Weil der Platz im Zuhause des Künstlers allerdings begrenzt ist, muss er seine erstandenen Kunstwerke regelmäßig auswechseln, um von allen etwas zu haben. „Aber ich habe eine Couch, um die herum ganz viele Bilder verschiedener internationaler Künstler hängen und das gibt mir echt viel Energie. Also wenn ich dann da auf meiner Couch liege und einen Kaffee oder einen Wein trinke, und das mache ich ja jeden Tag, dann gucke ich mir die Bilder an und kann ganz viel daraus schöpfen.“ Von seiner eigenen Kunst hat er aber kaum etwas daheim, schließlich habe er diese ja sieben Tage die Woche von morgens bis abends um sich – da müsse man sie nicht auch noch zuhause haben.

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Und was würde er jungen Street Artists raten, die gerade anfangen? „Durchhalten,“ sagt El Bocho. Heute würden Instagram und der schnelle Ruhm viele begabte Leute anlocken, jedoch mit dem Glauben, man würde mit guter Kunst innerhalb einer Woche berühmt. Aber die wenigsten hielten länger als eine Saison durch. „Es ist einfach viel harte Arbeit. Aber wenn man sich einen längeren Weg gibt, gibt man sich selbst die Chance, viele Sachen auszuprobieren und einen eigenen Stil zu finden. Wenn ich mir nur Instagram- und Facebookfotos anschaue, werde ich keinen eigenen Stil finden. Dann werde ich nur kopieren und das ist sehr gefährlich. Also: Weg von den digitalen Medien, rausgehen, sich die Sachen vor Ort angucken, Skizzen machen. Ja, Skizzenbücher zu füllen ist sehr, sehr wichtig!“ Und man solle Street Art nicht des Hypes wegen machen, sondern, wenn sie für einen selbst Sinn ergibt. Tut sie das nicht mehr, und da spricht El Bocho auch für sich, dann ist man eben nicht mehr Street Artist, sondern Artist – und hat noch immer eine Welt voller Möglichkeiten.

Homegirl Art by El Bocho | by andy - for better moods

Jeder Print kommt auf hochwertigem Papier, mit Prägesiegel und natürlich El Bochos Signatur!

Hier geht es zu El Bocho

  • Interessante News findet ihr auf dessen Website
  • Seinen Shop können wir sehr empfehlen
  • Natürlich ist El Bocho auch auf Facebook
  • Sehr aktiv ist er auf Instagram
  • Ab in die Galerie Raab mit euch, wenn ihr seine Werke live sehen wollt!

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Danke an El Bocho für das wunderbare Interview und die Offenheit! Und danke, dass wir Fotos machen durften 😉 

Art by El Bocho | by andy - for better moods